„Das war ein schöner Ausreißer nach oben“, meinte Bundestrainer Sven Meyer (Foto) nach dem Erfolg im französischen Übersee-Department . „Diesen Trend gilt es fortzusetzen, die Leistungen in den nächsten Weltcups zu bestätigen und unser großes Ziel, die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio nicht aus den Augen zu verlieren,“ sagt Meyer, der den Vierer schon Anfang November wieder an den Start schickt, um beim Weltcup in Mexiko weitere Punkte zu sammeln.
Lange Jahre war der deutsche Vierer, einst Aushängeschild des deutschen Radsports, das Sorgenkind des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR). Schwache Fahrzeiten, verpasste Olympia-Qualifikationen und mittelmäßige WM-Resultate führten den Bahn-Ausdauerbereich in die Krise. 2011 verpflichtete der BDR den Sauerländer Sven Meyer, damals gerade 26 Jahre jung, als Bundestrainer. Zuvor hatte er als Assistent von Heiko Salzwedel erfolgreich beim dänischen Radsportverband gearbeitet und war verantwortlich für den WM-Erfolg des Dänen-Vierers bei den Weltmeisterschaften 2011. Eineinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt beim BDR übernahm Meyer zusammen mit Ralf Grabsch die sportliche Leitung des rad-net ROSE-Teams, das eigens zu dem Zweck gegründet wurde, die deutschen Verfolger wieder schnell zu machen.
Bei den Europameisterschaften vor einem Jahr in Apeldoorn scheiterte das Quartett bereits in der Qualifikation, wo es nur zu Platz 13 reichte. Doch die Arbeit, die Meyer in den Aufbau des Vierers steckte, zahlte sich in diesem Jahr aus. 2013 noch belächelt, weil auch die nationalen Erfolge andere feierten, ging es kontinuierlich bergauf. „Wenn man Fahrer das ganze Jahr über so eng begleitet, dann kann man eine Mannschaft besser führen. Der Einfluss auf die Sportler ist größer, als würde man sie nur ab und zu bei internationalen Wettkämpfen betreuen“, nennt Meyer die Vorteile dieser engen Verzahnung von Verband und Continental Team. Er kennt jeden Sportler genau, kann sie – wie beim Vierer-Finale in Guadeloupe – auf den Punkt motivieren.
Aber Meyer betont auch, dass die Zielsetzung viel weiter geht. „Wir wollen den Ausdauersport in Deutschland nach vorn bringen und neue Talente finden und in der Breite weiter entwickeln,“ sagt er. Dazu gehört, dass Fahrer wie Maximilian Beyer vom KED Stevens Team Berlin oder Leon Rohde vom LKT Team Brandenburg fest zum Stamm des Ausdauerkaders gehören und genauso in die internationalen Bahn-Wettbewerbe und ihre Vorbereitungen eingebunden werden. So startete Rohde bei der EM in den Vorläufen.
Der deutsche Vierer musste sich in Guadeloupe bei den Europameisterschaften nur Großbritannien geschlagen geben, die im Finale aufdrehten und Deutschland in den letzten zwei Runden acht Zehntel Sekunden abnahmen. Zehn Runden lang hat Deutschland auf die Tube gedrückt: mit Henning Bommel, Theo Reinhardt, Nils Schomber und Kersten Thiele (alle rad-net ROSE Team) Fahrt aufgenommen, einen beachtlichen Vorsprung von über zwei Sekunden bei der zweiten Zwischenmarke aufgebaut. Doch dem kraftvollen Tritt des britischen Schlussmanns konnten sie nicht parieren und büßten in den letzten beiden Runden den Vorsprung ein. „Da fehlt uns noch die Erfahrung“, meint Meyer, der hochzufrieden mit dem EM-Auftritt war. „Wir sind volles Risiko gegangen, zügig gestartet, waren schnell in den ersten Runden unterwegs. Das hat die Jungs gepuscht. Vor dem Finale hatten wir doch nur eine Außenseiterrolle, und dann haben wir die Briten in Bedrängnis gebracht“, freute sich Meyer über das gelungene EM-Finale.
Neben der Silbermedaille im Vierer gab es nämlich weitere vier Medaillen im Ausdauerbereich. „Ich kann mich nicht erinnern, wann wir das letzte Mal so erfolgreich waren“, freute sich auch BDR-Sportdirektor Patrick Moster über das gute Abschneiden in Guadeloupe. Kersten Thiele und Henning Bommel (beide rad-net ROSE Team) gewannen je eine weitere Medaille: Thiele holte Bronze in der Einerverfolgung, Bommel ebenfalls Bronze im Punktefahren. Hinzu kamen Top-Platzierungen wie der vierte Platz von Nils Schomber (rad-net ROSE Team) in der Einerverfolgung, Rang vier für Rohde/Reinhardt im Madison und Platz sieben von Lucas Liss (Team Stölting) im Omnium.
Starke Leistungen zeigten auch die BDR-Starterinnen in den Ausdauerdisziplinen. Mieke Kröger, Europameisterin im Zeitfahren auf der Straße, gewann die Silbermedaille in der Einerverfolgung, die erst 19-jährige Anna Knauer holte Bronze im Omnium und Stephanie Pohl aus Cottbus belegte im Punktefahren Rang sechs.
Was für die deutschen Sprinter schon fast eine Routineangelegenheit ist, steuern die deutschen Verfolger nun mit großen Schritten an: die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio in zwei Jahren. Der Weltcup in Guadalajara in Mexiko kann kommen.