Kristina Vogel schickt sich an, die erfolgreichste Bahn-Radsportlerin aller Zeiten zu werden. In London gewann sie im März dieses Jahres ihren siebten WM-Titel. Dabei hing im Mai 2009 die Erfolgsgeschichte des nur 1,60 Meter großen Kraftpakets am seidenen Faden. Zwar kündigte sich bereits eine große Karriere in Vogels Juniorenzeit an, in der sie sechs WM-Titel gewann. Dann nahm der damals 18-Jährigen bei einer Trainingsfahrt ein Kleinbus die Vorfahrt. Vogel flog mit Tempo 50 durch die Heckscheibe, lag zwei Tage im Koma. Sie erlitt Brüche am ganzen Körper und verlor alle Zähne. Unzählige Operationen und Reha-Maßnahmen folgten. „Kristina besitzt unheimliche Nehmerqualitäten. Sie ist sehr schnell in der Lage, sich nach Niederlagen wieder hochzurappeln – und das gilt für alle Bereiche, nicht nur für den Sport“, sagt Sprint-Bundestrainer Detlef Uibel über Vogel, deren Weg er von Anfang an begleitete. Schon bei der Elite-WM 2010 war die Erfurterin wieder da, belegte Platz fünf im Sprint.
2012 startete Vogel richtig durch. Erst holte sie bei der WM in Australien zusammen mit ihrer Partnerin Miriam Welte aus Kaiserslautern Teamsprint-Gold. Bei den Olympischen Spielen in London wiederholte das Duo völlig überraschend diesen Coup – und seitdem fährt Vogel, die als Kleinkind mit ihren Eltern aus Kirgistan nach Deutschland kam, nur noch in der Erfolgsspur. „Neben ihren physischen Stärken verfügt Kristina vor allem über enorme mentale Stärken. Sie besitzt großes Selbstvertrauen ohne sich zu überschätzen – außerdem ist sie sehr ehrgeizig, zielstrebig, siegorientiert und vor allem belastungsstabil“, lobt Uibel Vogel. Erdgas-Teamchef Hübner ergänzt: „Mit Kristina kann man Tacheles reden wie mit einem Mann. Sie ist klar strukturiert und überhaupt nicht sensibel. Gleichzeitig besitzt sie aber auch eine große soziale Kompetenz.“
Seit 2013 sind sechs weitere WM-Titel und vier WM-Medaillen für Vogel dazugekommen. Insgesamt sammelte sie bis heute 25 WM- und EM-Medaillen von der Junioren bis zur Eliteklasse. Unvergessen ist das Triple 2014 in Cali mit Gold in Sprint, Keirin und Teamsprint. „Ich will irgendwann als erfolgreichste Bahnradsportlerin aller Zeiten aufhören. Ich möchte den Rekord so früh wie möglich fix machen. Ich arbeite dran“, sagt Vogel, nachdem sie bei der WM in London Gold im Keirin sowie Bronze im Sprint und Teamsprint zusammen mit Welte gewonnen hatte. Nur noch vier Siege fehlen der Ausnahmesportlerin bis zur Bestmarke von Anna Meares aus Australien (11 WM-Titel, 27 WM-Medaillen). Geht es in diesem Tempo weiter, ist der Rekord nur eine Frage von wenigen Jahren. „Je mehr Siege, desto besser. Langweilig wird es nie“, so Vogel, die zum Teil größere Gänge (52-13) als die männlichen Kollegen aufschrauben lässt.
In der Form von London ist Vogel in Rio de Janeiro eine heiße Kandidatin für drei (Gold-)Medaillen: Sprint, Keirin und Teamsprint. Seit 2012 hat die Erfurterin aber kein Großereignis mehr ohne Goldmedaille verlassen – das soll und wird vermutlich auch für Brasilien gelten. Und Kristina Vogel wird so bleiben, wie sie alle mögen: unkompliziert und lustig, eben ein Weltstar ohne Starallüren.
Steckbrief:
geb. 10. November 1990 in Leninskoje
Wohnort: Erfurt
größte Erfolge: 2016: Weltmeisterin Keirin, WM-Dritte Teamsprint, Sprint,
2015: WM Sprint, 2. WM Teamsprint, 3. EM Sprint, 2014: WM Teamsprint, Sprint und Keirin, EM Keirin, EM-2. Teamsprint, EM-3.Sprint, 2013: WM Teamsprint, EM Sprint, WM-2. Sprint, 2012: Olympiasiegerin Teamsprint, WM Teamsprint, WM-3. Keirin, 2011: EM-3. Teamsprint, 2010: EM-2. Sprint, EM-3. Teamsprint
6fache Junioren-Weltmeisterin