Es ist viereinhalb Jahre her, da wurde die damals noch 19-jährige Helen Grobert gefragt, ob es für sie in ihrer anstehenden Sportkarriere einen Traum geben würde. Die Antwort ging so: „Das einzige, was ich jetzt sagen kann, das ist Olympia. 2016 in Rio dabei zu sein, sich zu nominieren, das ist mein Traum. Wenn man die Nominierungskriterien erfüllt hat, gehört man ja schon zu den Top 15 in der Welt, das wäre der Hammer. Olympische Spiele, ein größeres Ziel gibt es, glaube ich, gar nicht.“
Jetzt wurde Helen Grobert vom BDR zu Nominierung für eben diese Olympischen Spiele vorgeschlagen. Neben der dreifachen Olympia-Medaillengewinnerin Sabine Spitz, die keine halbe Stunde von Groberts Heimatort entfernt zuhause ist. Noch vor zwei Jahren schien das kaum realistisch, 2016 zu früh für die olympischen Träume der Südbadenerin.
Doch am 25. Mai 2015 wurde im tschechischen Nove Mesto plötzlich greifbar, was vorher nur Gedankenspiel war. Ein überraschender neunter Platz in ihrem ersten Elite-Weltcuprennen bedeutete die halbe Norm und als sie das eine Woche später in Albstadt mit Rang sechs perfekt machte, da war aus der Hoffnungs- plötzlich eine Leistungsträgerin geworden.
Im vergangenen Frühjahr wurde eine Qualität sichtbar, die ihr auch im aufgeregten olympischen Umfeld helfen könnte. „Sie ist tiefenentspannt“, bringt ihr Team-Manager Tom Wickles auf den Punkt wie die 24-Jährige alles um sich herum abtropfen lassen kann. Ihre Art Cross-Country-Rennen zu fahren hat etwas von einem Schweizer Uhrwerk. Sie schafft es immer wieder innerhalb eines Zeitfensters von vielleicht 15 Sekunden konstante Rundenzeiten zu produzieren, so als ob es die Gegnerinnen gar nicht geben würde. Was zur Folge hat, dass sie im letzten Renn-Drittel nie einbricht, sondern im Gegenteil häufig Plätze gut macht. In der absoluten Weltklasse ist das natürlich nicht mehr oder noch nicht so sichtbar wie früher bei den Juniorinnen oder noch in der U23.
Wenn Helen Grobert Erfolg hat, vergisst sie nie, das ganze Umfeld in ihre Freude miteinzubeziehen. Ihren Vater, der auch ihr Coach ist, den Bundestrainer und natürlich ihr Team Ghost, in dem die Betreuung so gut funktioniere und „so eine tolle Atmosphäre herrscht“. Das ist auch ein Schlüssel zu ihrer Persönlichkeit. Alles was irgendwie mit Familie zu tun hat, besitzt emotional größte Bedeutung für sie.
In Remetschwiel, diesem kleinen Schwarzwald-Ort, 15 Minuten oberhalb von Waldshut-Tiengen gelegen, ist Helen Grobert aufgewachsen, inzwischen lebt sie hauptsächlich in Freiburg, wo sie im Umfeld des Olympiastützpunkts optimale Bedingungen vorfindet. Als Kind hat sie gerudert, wie ihr Vater, hatte ein Pony und hat es auch mit Langlaufen probiert, ehe sie mit Zwölf den Weg in den Mountainbike-Sattel fand.
Ihre erste Team-Station war die Kirchzartener Talentschmiede Lexware. Als Juniorin gewann sie 2010 WM-Bronze und EM-Silber, in der U23-Klasse zweimal EM-Bronze. Zwei Weltcup-Siege gelangen ihr 2014 in der U23-Kategorie, in der Gesamtwertung landete sie auf Platz zwei. 2015 wurde sie nach Titeln in der U17 und U23 erstmals in der Elite-Kategorie Deutsche Meisterin.
Offiziell ist die Sportsoldatin (Stabsunteroffizier) an der Uni Freiburg seit vergangenen Herbst im Fach Psychologie eingeschrieben. Helen Grobert lacht. „Ehrlich gesagt habe ich das Studium noch gar nicht aufgenommen. Ich habe in Absprache mit dem Olympiastützpunkt und der Uni wegen Olympia gleich zwei Urlaubssemester eingeschoben“, erklärt sie. Ob sie im Herbst dann tatsächlich im Hörsaal sitzt, hängt auch vom Verlauf der restlichen Saison ab und nicht zuletzt auch dem Olympischen Rennen in Rio.
Steckbrief:
Geboren: 11.04. 1992
Wohnort: Freiburg/Remetschwiel
Team: Ghost Factory Racing
Erfolge: Deutscher Meisterin 2008 (U17), 2012, 2013 (U23), 2015 (Elite).
Junioren-WM-3. 2010, 2 U23-Weltcupsiege 2014, U23-Weltcup-Gesamt-Zweite 2014, U23-EM-3. 2013, 2014, Team-Europameisterin 2015, Weltcup-6. Albstadt 2015, Cairns 2016