Downhill ist eine Randsportart im breiten Portfolio des Bund Deutscher Radfahrer. Dabei ist es eine der spektakulärsten. Wenn sich die Athletinnen und Athleten in die waghalsigen Abfahrten stürzen, in drei bis fünf Minuten 300 bis 600 Höhenmeter überwinden und das auf zwei bis drei Kilometern Länge, dann muss man schon den Atem anhalten. Mit dem Start schießt pures Adrenalin durch den Körper der Downhiller, genau das, was diesen Sport für die Spezialisten so interessant macht.
„Wenn das Fahrrad unter einem arbeitet, dann kommt man in einen Flow, man fliegt fast über die schwierigsten Passagen. Das ist wie Achterbahnfahren, macht den Kick dieser Sportart aus,“ schwärmt Nina Hoffmann. Dieser Sport hat es ihr angetan, seit sie das erste Mal die Piste hinuntergejagt ist. Da war 2015 und da war Nina Hoffmann schon 18. Sie ist fasziniert vom Downhill. „Seitdem verbringe ich jede freie Minute auf dem Rad“, sagt Hoffmann.
Vorher gehörte die sportliche junge Frau zur nationalen Elite der Speerwerfer. Deshalb zog sie auch Mitte der 2010-er Jahre von Saalfeld nach Jena. Nach einer langwierigen Ellenbogenverletzung musste sie aber das Speerwerfen aufgeben. Sport sollte jedoch weiter ihr Leben begleiten. Nina Hoffmann liebt Volleyball, macht Motocross, schwimmt und joggt. Durch einen Freund kam sie zum Downhill. Dieser Sport begeisterte sie sofort und ließ sie nie mehr los.
Früh stellten sich erste Erfolge ein. National kann sie derzeit keine schlagen. In Willingen im Sauerland wurde sie Ende Mai zum fünften Mal Deutsche Meisterin. Und auch international läuft es: 2019 stand sie das erste Mal bei einem Weltcup auf dem Podest, feierte 2020 ihren ersten Weltcup-Sieg in Maribor. Im letzten Jahr gewann sie bei der WM die Silbermedaille.
Wenn sie nicht gerade bei einem internationalen Wettkampf im Nationaltrikot am Start steht, fährt Nina Hoffmann für das internationale Downhill-Team Santa Cruz Syndicate, das ihr ein finanzielles Auskommen sichert. „Daher kann ich mich derzeit voll auf das Radfahren konzentrieren,“ freut sie sich, denn das ist in Deutschland bei Randsportarten nicht üblich.
An der Friedrich-Schiller-Universität in Jena hat Nina Hoffmann gerade erfolgreich ihre Masterarbeit in der Fachrichtung Psychologie beendet. Thema: Hypnose als effizientes Mentaltraining für Downhill-und Mountainbike-Sportler. Arbeiten wird sie aber vorerst nicht, sondern sich in den nächsten Jahren voll auf Downhill konzentrieren.
Nina Hoffmann ist eine erfolgreiche und routinierte Sportlerin, die ihr Sportgerät beherrscht, aber nicht übermütig wird. „Man muss seine Grenzen kennen“, sagt sie „und die Fähigkeit besitzen, sein Können richtig einzuschätzen.“ Anfangs sei sie auch öfter gestürzt. „Das passiert heute seltener.“ Trotzdem: die richtige Schutzkleidung ist lebenswichtig. „Vor allem die Ellenbogenschoner,“ sagt Hoffmann. Man muss bei dieser Sportart voll konzentriert sein, kann sich eigentlich keine Fehler erlauben. Nur kleine Korrekturen sind möglich, wenn man in der Klasse von Nina Hoffmann fährt. „Das kann ich mit Routine ausgleichen.“
Zwölf bis 15 Wettkämpfe bestreitet die 26-Jährige in jeder Saison. Das klingt zunächst einmal wenig, aber jeder Wettkampf erstreckt sich über mehrere Tage. Nach der Anreise wird die Strecke zu Fuß begutachtet, dann folgt die erste Trainingseinheit, der sich die Qualifikation und schließlich der Wettkampf anschließt.
Zu Hause in Jena trainiert sie überwiegend in der Halle, macht Krafttraining. Richtig gute Trainingsparcours für Downhiller gibt es nur wenige. Da weicht die Jenaerin schon mal in die Alpen aus, wo es exzellente Bike Parks gibt, die ähnlich wie Skipisten präpariert sind. Man fährt mit dem Lift nach oben und saust dann die Abfahrt hinunter. Und auch im Downhill gibt es wie im Alpinsport unterschiedliche Schwierigkeitsgrade von grün (leicht), über blau, rot bis zu schwarz (sehr schwer). Im Winter war Nina Hoffmann einige Wochen in Australien und Neuseeland, hat dort trainiert und freut sich, dass der fünfte Kontinent inzwischen auch den Downhill-Sport entdeckt hat.
Eigentlich sei Downhill eine eher europäische Angelegenheit. Dominierend sind die Franzosen, gefolgt von den Engländern. Aber inzwischen mischen sich auch einige US-Amerikaner in die Startfelder, mit Erfolg. Hoffmanns Hauptkonkurrentinnen aber kommen aus Europa: Valentina Höll aus Österreich und Camille Balanche aus der Schweiz. Mit ihnen wird sie sich einen harten Kampf um die WM-Medaillen im August in Glasgow liefern.
Die Downhill-Wettbewerbe finden in Fort William statt, 100 km nördlich von Glasgow. Diese Strecke liebt Hoffmann. Dort gewann sie im letzten Jahr den Weltcup, dort war sie Anfang Mai beim britischen Nationen-Cup erfolgreich. „Ich habe schon Ambitionen bei dieser WM,“ gibt sie sich zurückhaltend optimistisch. Aber eine Medaille ist natürlich ihr großes Ziel.