Vize-Fluch ausradieren

Endlich „Sommerpause“? Gibt es quasi nicht – für die deutschen Radballer, obgleich die Bundesliga-Saison am letzten Wochenende – mit dem Sieg des RV Stahlross Obernfeld – endete. Im August steht der nächste Weltcup auf dem Programm, im September beginnt die Finalserie für  die WM-Qualifikation.

Ein bisschen durchschnaufen aber ist dennoch angesagt, vor allem für die Überraschungsmeister aus Niedersachsen. Eine neue Paarung mit André und Raphael Kopp, die durchstartete. Selbst Insider zeigten sich überrascht.

Das gilt fast auch für die beiden Protagonisten. Keeper André, der Mann mit den „Kraken“-Armen, der auch unhaltbare Bälle wegfischt, hatte jahrlang mit Manuel Kopp ein Duett gebildet – und im vergangenen Jahr – endlich – den nationalen Meistertitel errungen. Aber da war die Trennung bereits besprochen. Gleichzeitig das Ende einer fast endlosen Serie als „Vize“. „Fünf oder sechsmal“, mag André schon gar nicht mehr mitzählen, „sind wir als Ersatzteam zu Weltmeisterschaften gefahren.“ Das zehrte am Nervenkostüm. Bei der WM-Qualifikation fehlte entweder ein Punkt, ein Tor oder etwas Glück.

Marco Rossmann, selbst hochdekorierter Radballer und jetzt beim Bund Deutscher Radfahrer Referatsleiter, sah „powergeladenes Spiel, unbändigen Willen und starkem Offensivdrang. Damit konnten sie sich schlussendlich deutlich gegen die amtierenden Weltmeister aus Stein durchsetzen. Sie kommen nur ins Straucheln, wenn der Gegner ihren „Angriffsmotor“ zum Stocken bringt. In der WM-Quali bleibt es spannend, gipfelnd vielleicht in einem Finale um die DM-Krone und den WM-Platz zwischen Obernfeld 1 und Stein.“

Auch Bundestrainer Matthias König hatte die Obernfelder zu einer Umorientierung geraten. „Das eröffnet ihnen mehr Möglichkeiten in der Offensive.“ Auf den Punkt gebracht. Die früher als Defensivkünstler bekannten „Stahlrösser“ erlitten nur eine Niederlage in 22 Bundesliga-
Partien (ausgerechnet gegen die 2. Mannschaft des RV Obernfeld) und erzielten 126 Tore. „Wir haben mehr Potenzial im Spiel und sind vorne besser geworden“, sagt André Kopp. Positiv zahlte sich aus, dass die beiden Radballer nur 30 Kilometer auseinanderwohnen, bisher betrug die Entfernung zum gemeinsamen Training 70 km. „Aber viele konnten sich tatsächlich nicht vorstellen, dass es so schnell klappt.“ Sie selbst hatten eine Top-Fünf-Platzierung als Saisonziel ausgegeben.

Die Abstimmungsprobleme wurden schnell seltener. „Doch die Steigerung war auch nötig, wir sind in einem Alter, da man nicht mehr so viel ausprobieren kann.“ Bei der jüngsten EM hatte Obernfeld noch einmal das Dasein als Ersatz-Mannschaft erlebt. Die amtierenden Weltmeister Bernd undGerhard Mlady vom RMC Stein kämpften in Wiesbaden für Deutschland.  Doch nun sieht André, im Beruf Feinoptiker, Licht am Horizont und ist sowieso im Flow, hat seine Sandra geheiratet, ein Haus gebaut: läuft bei den Grünweißen. Deren Ziel jetzt die Weltmeisterschaft im November in Lüttich ist. Aktiv im Nationaltrikot – nicht als Reservisten, die bei jedem deutschen Match mit den Ersatzmaschinen am Spielfeldrand kauern.

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