Medaillenchancen auf der Straße

Morgen beginnen bei den Weltmeisterschaften in Australien die Straßenrennen. Den Anfang machen die Junioren und die Klasse der Männer U23, die am Freitag ihre Titelkämpfe austragen, gefolgt von Juniorinnen und Frauen (Samstag). Höhepunkt ist das Straßenrennen der Elite Männer am Sonntag.

„Wir sind in der Lage, viele Karten zu spielen“, sagt Felix Engelhardt, der im Juli in Portugal Europameister auf der Straße wurde. „Wir sind auch zahlenmäßig die stärkste Mannschaft, können das Rennen mitgestalten.“

Die Norweger, Briten und die Niederländer sieht die deutsche Mannschaft als Hauptkonkurrenten. Sie selbst werde aber mitmischen. „Wir sind als Team zusammengeschweißt, auch durch den Erfolg in der Tour de l`Avenir, der uns viel Selbstbewusstsein gegeben hat,“ sagt Michel Heßmann, der am Montag Fünfter im Einzelzeitfahren der U23 war und in der l`Avenir als Dritter aufs Podium kletterte.

Der zu erwartende Regen käme der deutschen Mannschaft ebenfalls entgegen. „Wir sind für alle Rennsituationen bereit“, unterstreicht Bundestrainer Ralf Grabsch noch einmal die Stärke seiner Mannschaft. „Wir sind in der Breite stark, das macht uns unberechenbar.“ Schon im letzten Jahr gehörte die Nationalmannschaft der U23 zu den besten im Peloton.

Große Ambitionen auf eine Medaille haben auch die Junioren mit dem in dieser Saison überaus erfolgreichen Emil Herzog und die Juniorinnen mit Justyna Chapla. Beide gewannen bereits in den Zeitfahren eine Medaille: Chapla holte Silber, Herzog Bronze.

Auf ein erfolgreiches Abschneiden hofft auch Frauen-Bundestrainer André Korff und setzt vor allem auf Liane Lippert. Der Deutschen Meisterin aus Friedrichshafen kommt der Kurs entgegen, und auch mit dem zu erwartenden Regen hat Lippert keine Probleme. „Ich habe hier in Australien schon bei ähnlichen Bedingungen gewonnen,“ erinnert sie an ihren Weltcup-Triumph beim Great Ocean Race vor zwei Jahren. Aber Lippert weiß auch, dass alles passen muss, will sie am Samstag aufs Podium fahren. „Es ist natürlich ein großer Traum. Aber es muss alles funktionieren. Man muss anfangs Energie sparen und im entscheidenden Moment die richtige Entscheidung treffen.“ Lippert vergleicht den WM-Kurs von Wollongong mit der Strecke von Imola vor zwei Jahren. „Aber hier hat man weniger Erholungsphasen, trotzdem könnte es ein ähnliches Szenario werden“, sagt sie. Damals belegte sie den fünften Platz. Und im letzten Jahr bei der Straßen-EM in Trento gewann sie Silber.

Unterstützt wird sie von Ricarda Bauernfeind, zweifache deutsche U23-Meisterin in diesem Jahr und Bronzemedaillen-Gewinnerin im Einzelzeitfahren der U23 am vergangenen Sonntag. „Für mich ist das die erste Weltmeisterschaft, von der Distanz her das längste Rennen, das ich je gefahren bin und ich hoffe, dass ich alle Runden überstehe und Liane unterstützen kann,“ sagt Bauerfeind. Dass ihr eine Helferrolle zugedacht wird, sieht sie als Vorteil. „Es nimmt mir den Druck, ich habe meine Rolle und weiß, was zu tun ist.“

Auf eine weitere Medaille in der Kategorie U23 spekuliert sie nicht. Im Eliterennen der Frauen gibt es wie beim Zeitfahren erstmals eine Sonderwertung für die Kategorie U23.  „Wir konzentrieren uns aber ganz klar auf das Hauptrennen,“ macht Bundestrainer Korff deutlich. Und da traut er auch Ricarda Bauernfeind eine Top-Platzierung zu. „Ricarda hat eine starke Saison gefahren, ich traue ihr viel zu,“ meint Korff.

Die klare Nummer 1 im Team ist aber die Deutsche Meisterin Liane Lippert. „Liane hat zuletzt in der Vuelta gezeigt, wie stark sie ist und dass sie mit den Besten mitfahren kann.“  Die Strecke sei technisch sehr anspruchsvoll, der Berg ein wenig vergleichbar mit der Mauer von Huy. „Das ist hier ein Huy 2.0“, sagt Korff, wobei die Einfahrt in den Berg der Zielrunde moderater sei als in Belgien.

Die deutsche Mannschaft der Männer gehört am Sonntag nicht unbedingt zu den Favoriten, was ein Vorteil sein kann. „Gerade das können wir zu unserem Vorteil nutzen,“ findet Nikias Arndt, für den es am Sonntag bereits das dritte Rennen bei dieser Weltmeisterschaft sein wird. Er hat schon das Einzelzeitfahren und die Mixed-Staffel bestritten. Der DSM-Profi glaubt, dass die Distanz des schweren Rennens die wesentliche Rolle spielen wird. „Es ist ein sehr anspruchsvoller Parcours, der über die Höhenmeter aber vor allem auch über die lange Distanz entschieden wird,“ sagt Arndt.

Georg Zimmermann ist der stärkste Bergfahrer im deutschen Team. Sein erfolgreiches Abschneiden in der Deutschland Tour habe ihm Selbstvertrauen und eine extra Portion Motivation gegeben, findet der Augsburger, der zuletzt beim Grand Prix Montreal gefahren ist. „Das für mich eine Art Generalprobe für diese WM. Die Distanz war auch lang, und ich habe mich gut gefühlt. Man braucht für diesen WM-Kurs eine gute Grundlage und den nötigen Punch am Berg,“ sagt Zimmermann. „Am Berg wird es einen großen Kampf um die Positionen geben. Wenn man da zu weit hinten ist, verliert man zu viel Zeit. Das holt man nicht mehr auf.“

Wer am Sonntag in die Kapitänsrolle schlüpfen wird, wollte Teamchef Jens Zemke nicht verraten. „Ich rechne mit einem ähnlichen Rennverlauf wie im letzten Jahr in Belgien. Es wird eine WM, die für Bergfahrer zu leicht und für Sprinter zu schwer ist. Zum Schluss wird eine Gruppe von zehn, 15 Fahrern das Rennen unter sich ausmachen,“ glaubt Zemke. Er könne sich vorstellen, dass nach 80, 100 Kilometern eine Vorentscheidung fallen wird und in der Endphase weitere Attacken dann zum Erfolg führen.

4000 Höhenmeter hat das WM-Rennen der Männer, verteilt auf 266,9 Rennkilometer. Schlüsselstelle ist die letzte schwere Steigung ca. 5 km vor dem Ziel. Danach folgt eine Abfahrt ins Ziel bei der aber nicht nur Rollerqualitäten gefragt sind. „Wenn ein Fahrer wie Pogacar am Berg noch mal antritt,“ könnte es passen,“ sieht Zemke Fahrer wie den Tour-Sieger von 2021 im Vorteil.

 

Foto: Liane Lippert ist die deutsche Hoffnung im Straßenrennen der Frauen.   Foto: Vos

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