„Das muss unser Ziel sein,“ sagt André Greipel, Teamchef der deutschen Elite-Mannschaft der Männer. Bei den Weltmeisterschaften fuhren Miguel Heidemann (Leopard TOGT Pro Team), Jannik Steimle (Soudal – Quick Step) und Maximilian Walscheid (Cofidis) zusammen mit Ricarda Bauernfeind (Canyon //SRAM), Lisa Klein (Lidl-Trek) und Franziska Koch (dsm-firmenich) zur Bronzemedaille. In der aktuellen EM-Besetzung gibt es nur eine Änderung: Statt Bauernfeind wird die deutsche Zeitfahrmeisterin Mieke Kröger (Human Powered Health) fahren, die schon 2021 bei der WM in Belgien wie auch Max Walscheid zur Gold-Staffel gehörte. Größte Konkurrenten der deutschen Mannschaft sind die Schweiz und die Niederlande, die in Emmen wieder aufs Podest wollen.
Neben der Elitestaffel werden auch die Junioren und Juniorinnen in einem Mixed-Team um Edelmetall kämpfen und haben gute Chancen, wie schon 2022 aufs Podest (Zweite) zu fahren.
Der Zeitplan in Drenthe ist dicht gedrängt. Die Wettbewerbe beginnen am Mittwoch (20. September) mit den Einzelzeitfahren in allen Klassen. Wegen der Vielzahl der Starter sind die Distanzen in der Eliteklasse der Männer kürzer als bei Weltmeisterschaften. Die Männer und Frauen fahren jeweils 29,5 km, die U23 und Junioren (jeweils männlich und weiblich) 20,6 Kilometer auf einem flachen, technisch nicht sehr anspruchsvollen Kurs. „Max (Walscheid) hat bewiesen, dass er sehr gute Leistungen auf solchen Distanzen abrufen kann,“ sagt André Greipel und glaubt, „dass auch Miguel Heidemann als Deutscher Vize-Meister das Vertrauen nicht enttäuschen wird.“
Im Einzelzeitfahren der Frauen werden die Deutsche Vize-Meisterin im Einzelzeitfahren, Katharina Fox, und Lisa Klein antreten und können in die Top-Ten fahren. „Ein Podestplatz wird sicher schwierig, aber gute Resultate darf man erwarten,“ sagt Bundestrainer André Korff. „Lisa Klein hat in den letzten Wochen eine aufsteigende Form gezeigt, und Katharina Fox hat sich die Nominierung als DM-Zweite auf jeden Fall verdient,“ so Korff. Fox wird vermutlich auch das Straßenrennen bestreiten.
Dort ist Liane Lippert (Movistar) die Chefin im siebenköpfigen Aufgebot. „Ich hoffe, dass das Team sie länger unterstützen kann als bei den Weltmeisterschaften“, blickt der Bundestrainer optimistisch nach Drenthe auch wenn er weiß, „dass im Finale vermutlich nicht mehr viele dabei sein werden.“ Mit Romy Kasper, Franziska Koch, Lisa Klein, Lin Teutenberg und Hannah Ludwig sowie Katharina Fox stehen Lippert starke Helferinnen zur Seite. Dass die Deutsche Meisterin in einer blendenden Verfassung ist, bewies sie am Sonntag bei der Schlussetappe des WorldTour-Etappenrennens Tour de Romandie, wo sie die gesamte Konkurrenz im Sprint klar distanzierte.
John Degenkolb nachnominiert
Bei den Männern ist die Kapitänsfrage in der Eliteklasse offen. „Wir haben ein ausgewogenes Team nominiert, das als Mannschaft auftreten soll,“ sagt Teamchef Greipel, und will keinen einzelnen Fahrer hervorheben. Jannik Steimle, oder Jonas Koch sind erfahrene Profis, die ein solches Rennen lenken können. Michael Schwarzmann ist ein wichtiger Helfer im Finale, wo Max Walscheid seine Chance suchen könnte. „Die richtige Position finden, wenn es auf den Rundkurs geht, das ist entscheidend,“ sagt André Greipel und mahnt zu besonderer Aufmerksamkeit. „Wer sitzenbleibt, hat verloren.“
Mit Felix Engelhardt und Kim Heiduk, die wie Jonas Koch gerade erst die Vuelta beendet haben, stehen zwei 23-jährige Fahrer im Aufgebot, die in der laufenden Saison mit guten Leistungen zu überzeugen wussten. Und schließlich wurde kurzfristig noch der erfahrene John Degenkolb nominiert, da die deutsche Mannschaft mit jetzt sieben statt ursprünglich sechs Fahrern starten kann. Dies war möglich, weil andere Nationen ihr Kontingent nicht voll ausschöpften und daher einzelne Verbände mit mehr Startern fahren können.
Während die Zeitfahren alle in Emmen ausgetragen werden, beginnen die Straßenrennen an unterschiedlichen Startorten und führen nach entsprechender Anfahrt auf den Rundkurs mit Ziel auf der berühmtesten „Müllhalde“ der Niederlande, dem Col du Vam. Im Oktober 2018 wurde dieser Radsport-Berg mit drei anspruchsvollen Anstiegen und einer Abfahrt ausgebaut. 2100 Meter ist der Berg lang mit durchschnittlich zehn Prozent Steigung. Außerdem gibt es einen 150 Meter langen Pavé-Sektor mit satten 15 % Steigung. Das wird im Finale ein harter Kampf um die Medaillen.
Medaillenchancen beim Nachwuchs
Der BDR hat vor allem in den Nachwuchsklassen berechtigte Medaillenchancen. Im letzten Jahr begeisterte Felix Engelhardt in der Klasse U23 mit der gewonnenen Goldmedaille im Straßenrennen der U23. Diesmal setzt Bundestrainer Ralf Grabsch vor allem auf Tim Torn Teutenberg (Leopard TOGT Pro Cycling), der auch das Einzelzeitfahren bestreitet, und Henri Uhlig (Alpecin-Deceuninck Development). „Es kommt auf die Tagesform an, sind beide in guter Verfassung, gehören sie zu den Medaillenkandidaten,“ ist Grabsch überzeugt. Wieder blickt der Coach vor allem auf das Straßenrennen und hat noch Pierre-Pascal Keup (Lotto-Kern Haus nachnominiert), der am Wochenende beim Bundesliga-Finale im Sauerland eine starke Leistung bot. „Der Kurs liegt uns.“ Auch wenn die Strecke nicht so anspruchsvoll sei, so hätte sie ihre Tücken. „Es kommt auch auf die Witterungsbedingungen an,“ sagt Grabsch. „Der Wind kann entscheidend sein.“
In der weiblichen Klasse U23 stehen die Chancen gut, dass Antonia Niedermaier (Canyon // SRAM) in beiden Wettbewerben aufs Podest fährt. Die 20-Jährige gewann im August in Glasgow den WM-Titel im Einzelzeitfahren der U23 und ist die haushohe Favoritin im Kampf gegen die Uhr in den Niederlanden. Im Straßenrennen kann Niedermaier u.a. auf die Unterstützung von ihrer Teamkollegin Justyna Czapla und auf Linda Riedmann (Jumbo Visma) setzen.
Bei den Juniorinnen vertraut Bundestrainer Lucas Schädlich auf die Stärke des Teams und hofft auf die Endschnelligkeit von Hannah Kunz oder Jule Märkl. Kunz belegte am Sonntag Rang fünf im Gesamtklassement des Nationen-Cups und hat dort ihre gute Form bestätigt. Im letzten Jahr gab es für die Juniorinnen Zeitfahr-Gold für Justyna Czapla, die jetzt in der U23 Klasse startet.
Bei den männlichen Junioren kommen drei Fahrer des jüngeren Jahrgangs (2006) zum Einsatz, die sich mit guten Resultaten in der Saison ihren Startplatz erkämpft haben.
Der Vize-Weltmeister im Straßenrennen, Paul Fietzke aus Cottbus, und der WM-Dritte im Zeitfahren, Louis Leidert aus Bensheim, sind aber die Medaillenhoffnungen. Beide werden sowohl das Straßenrennen als auch das Einzelzeitfahren bestreiten. Leidert ist außerdem für die Mixed-Staffel vorgesehen, mit der er im letzten Jahr schon die Silbermedaille gewann. „Im Zeitfahren erhoffen wir uns einiges,“ blickt Wolfgang Ruser, Bundestrainer der Junioren, optimistisch auf die Titelkämpfe in dieser Woche. „Im Straßenrennen werden wir versuchen, das Rennen so mitzugestalten, dass eine kleinere Gruppe ankommt. Den Top-Sprinter haben wir nämlich nicht.“
Zeitplan
Mittwoch, 20 September (Wildlands Adventure Zoo-Emmen)
09.00 – 10.10 Uhr – Juniorinnen Einzelzeitfahren, 1 Runde (20,6 km)
10.25 – 11.45 Uhr – Junioren Einzelzeitfahren, 1 Runde ( 20,6 km)
12.00 – 12.45 Uhr – U23 Frauen Einzelzeitfahren, 1 Runde (20,6 km)
13.05 – 14.10 Uhr – U23 Männer Einzelzeitfahren, 1 Runde (20,6 km)
14.30 – 15.50 Uhr – Elite Frauen Einzelzeitfahren, 1 Runde (29,5 km)
16.15 – 17.45 Uhr – Elite Männer Einzelzeitfahren, 1 Runde (29,5 km)
Donnerstag 21 September
12.45 – 14.25 Uhr – Junioren Mixed Team Relay Emmen (19,2 km X 2 = 38,4 km)
15.30 – 17.10 Uhr – Elite Mixed Team Relay Emmen (19,2 km X 2 = 38,4 km)
Freitag, 22 September
9.30 – 12.45 Uhr – U23 M Straßenrennen Hoogeveen-Col du VAM (5 R/136,5 km)
14.30 – 17.10 Uhr – U23 F Straßenrennen Coevorden-Col du VAM (5 R/108,0 km)
Samstag, 23 September
9.00 – 11.45 Uhr – Junioren Straßenrennen Drijber-Col du VAM (8 R/111,0 km)
13.30 – 17.00 Uhr – Elite Frauen Straßenrennen Meppel-Col du VAM (5 R/131,3 km)
Sonntag, 24 September
9.00 – 11.15 Uhr – Juniorinnen Straßenrennen Drijber-Col du VAM (5 R/69,0 km)
12.30 – 17.00 Uhr – Elite Männer Straßenrennen Assen-Col du VAM (6 R/199,8 km)
Foto: John Degenkolb rückte noch ins Aufgebot der EM-Mannschaft. Schon bei der WM in Glasgow war er dabei. (Foto ausschließlich im Rahmen dieser Vorberichterstattung kostenfrei nutzbar)