Kunstfahrer vor erstem Wettkampf

Es ist wieder Bewegung im Radsport. Die ersten nationalen Straßenrennen haben stattgefunden, die Mountainbiker haben die ersten Weltcups bestritten, die BMX-Fahrer ihren Weltcup in Bogota. Und auch die Bahnfahrer konnten in Hongkong beim Nations-Cup ihre Form testen. Doch es gibt eine Sparte, bei der stehen nach wie vor die Räder still und das sind die Hallenradsportler. Aber am kommenden Wochenende soll es los gehen: Mit dem ersten Weltcup im Kunstfahren in der Schweiz, wo die deutsche Nationalmannschaft mit Bestbesetzung antreten will.  

Zwar konnten die Radballer in Dornbirn ihren ersten Weltcup austragen und die deutsche Mannschaft RMC Stein mit Bernd und Gerhard Mlady einen guten zweiten Platz belegen, aber die Kunstfahrer haben seit eineinhalb Jahren in der Eliteklasse keine Wettkämpfe bestritten.  Die deutschen Juniorinnen und Junioren konnten immerhin ihre Junior-Masters-Serie durchführen. Natürlich unter schärfsten Corona-Bestimmungen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die guten Leistungen der deutschen Nachwuchssportler konnten aber weder bei der geplanten deutschen Meisterschaft in Wetzlar Anfang Mai noch bei der Europameisterschaft in der Schweiz bestätigt werden. Beide Veranstaltungen wurden abgesagt. Die nationalen Titelkämpfe sollen am 14. und 15. August nachgeholt werden. Im Spätjahr ist die Durchführung eines weiteren bundesoffenen Wettkampfs für die Mannschaftsdisziplinen im Kunstradsport der Altersklasse U19 geplant.

Kunstrad-Bundestrainer Dieter Maute ist froh, dass er wenigstens mit den Kader-Athleten in die Halle darf, bedauert aber, dass die Trainingsmöglichkeiten für Sportler, die keinem Kader angehören, erheblich eingeschränkt sind. „Uns bricht die Basis weg,“ befürchtet Maute. „Am allerschlimmsten wirkt sich das auf die Talentsichtung aus. „Kein Verein konnte in den letzten eineinhalb Jahren neue Sportler ins Training integrieren, unsere Vereine konnten keine neuen Talente entdecken. In ein paar Jahren werden wir riesige Lücken haben,“ sagt Maute. So sieht es auch Harry Bodmer, der für den Hallenradsport zuständige BDR-Vize-Präsident. „Viele unserer Athletinnen und Athleten sind jetzt im zweiten Jahr ohne gemeinsames Training, ohne Wettkämpfe. Da befürchte ich einen großen Aderlass,“ sagt Bodmer.

Mit seinen Kadersportlern kann der Bundestrainer den Trainingsbetrieb einigermaßen aufrechterhalten. Auch Lehrgänge sind – unter strengsten Corona-Auflagen – möglich. Kürzlich fand in Albstadt ein solcher Lehrgang statt. Dabei konnten sogar zwei Hallen genutzt werden und so noch mehr Abstand als notwendig gehalten werden. Wohnen durfte die Nationalmannschaft aber nicht wie sonst üblich in der angeschlossenen Sportschule, aber sie konnten Zimmer in einem nahegelegenen Hotel beziehen und haben sich größtenteils selbst versorgt, so dass sie ihre „Blase“ nicht verlassen mussten. Regelmäßige Tests sind bei solchen und anderen Maßnahmen obligatorisch.

Maute befürchtet, dass so mancher Nicht-Kaderathlet seine Laufbahn beendet, weil er keine Perspektive sieht. Bei denjenigen, die bei der Stange bleiben, hofft Maute darauf, dass sie schnell wieder ihr altes Leistungsniveau erreichen, wenn der Trainingsbetrieb hoffentlich bald wieder normal losgehen kann.

Besondere Leidtragende der Pandemie sind die Mannschaftsdisziplinen und der Einradsport, denen das Training komplett untersagt ist. „Wir hoffen, dass die Politik bei den Lockerungen auch die Besonderheiten dieser Disziplinen im Blick hat,“ erklärt Maute, denn eine unkontrollierte Infektionsgefahr im Vierer ist um ein vielfaches geringer als beispielsweise  bei  Ballsportarten in der Halle. Aber für beide Sportarten gelten die gleichen Regeln. Hier müsse man differenzierter agieren, findet Maute.

Für die Hallenradsportler ist ein Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Durch die rückläufigen Inzidenzzahlen könnte es bald wieder losgehen mit den ersten Wettkämpfen auch in Deutschland. „Unsere Hoffnung ist, dass alle Disziplinen und Sportler bald, hoffentlich spätestens im Juli, wieder in den Trainingsbetrieb einsteigen können“. Die nationalen Meisterschaften des Nachwuchses sind am 14./15. August geplant, zwei Wochen vor den Europameisterschaften. Nun hofft man im Lager der Kunstfahrer, dass die Landesverbände ihre Qualifikationswettkämpfe für die DM unmittelbar vorher ausrichten können. „Das werden wir sehr flexibel gestalten. Es wird diesmal möglich sein, Ergebnisse auch noch bis zwei Wochen vorher einzufahren und sich dann noch für die DM zu qualifizieren“, sagt Maute. Auch Ergebnisse der letzten Jahre werde man berücksichtigen. Damit will man möglichst vielen Athletinnen und Athleten noch die Chance auf Wettkämpfe im Jahr 2021 und der DM-Teilnahme ermöglichen. Wenn es Corona erlaubt.

Die Titelkämpfe erst in den Spätherbst zu verlegen, wäre für alle Sportler eher ein Nachteil. Das würde zu einem weiteren Leistungsstopp führen. Wenn ein normaler Trainingsbetrieb im Sommer wieder möglich wird, brauchen die Kunstfahrer ein paar Wochen, bis sie ihr altes Leistungsniveau erreicht haben. Das können sie dann bei den Meisterschaften abrufen, um danach in einer genügend langen Trainingsphase neue Elemente für 2022 einzustudieren und ihr neues Programm zu erarbeiten. Fänden die Meisterschaften erst später statt, würde man den Neuaufbau unterbrechen und damit auch in der Leistungsentwicklung auf 2022 wieder nicht vorankommen.

Am 19. Juni ist jetzt der erste Kunstradsport-Weltcup in der Schweiz geplant. Darauf hoffen alle. Das wäre, neben der erfolgreichen Durchführung der Junior Masters, ein weiteres so wichtiges Signal für den Hallenradsport, den Corona wie keine andere Radsport-Disziplin so sehr gebeutelt hat. Ob die Weltmeisterschaft in Stuttgart im Oktober stattfinden kann, weiß heute noch niemand. Das Finale im Weltcup, eine Woche zuvor in Mautes Heimatstadt Albstadt, das ist in jedem Fall geplant.  „Wir haben mehrere Varianten in der Schublade, mit unterschiedlichen Zuschauerzahlen,“ ist Maute froh, dass ihm die Stadt da alle Möglichkeiten offenlässt. Die German Masters, die Qualifikationsserie zur Weltmeisterschaft, die will man im BDR ebenfalls durchführen, auch wenn die WM doch ausfallen sollte. „Sie ist extrem wichtig für unsere Sportler. Sie brauchen die Wettkämpfe.“

Im BDR versucht man alles, damit die Hallenradsportler in allen Disziplinen noch Chancen erhalten und wieder Motivation und Hoffnung schöpfen und dass die Top-Athleten und Athletinnen nach der Pandemie wieder dort stehen, wo sie immer hingehörten: An der Weltspitze.          

 

zum Bild: der amtierende Weltmeister Lukas Kohl.

  
 

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