Die Thürmers fragen…
Dabei herrschte vor dem ersten Start durchaus Nervosität. Auch bei den Favoriten. Durch die Rücktritte der Abonnements-Champions Schultheis/Sprinkmeier und ihrer Hauptrivalen Soika/Wurster rückten Nadja (24) und Julia Thürmer (26) mit einem Schlag in den Fokus. Anstatt meist in der WM-Zuschauerrolle (je zwei Teams erhalten WM-Tickets) vorgerückt auf die Pole Position. „Doch das spielt im Moment gar keine Rolle“, so die Sportlerinnen aus Mainz. „Dass Schultheis/Sprinkmeier aufhörten, kam wirklich überraschend, aber deshalb haben wir unser Programm kein bisschen geän-dert.“
Einmal von Verletzungen und Krankheiten verschont, überzeugten die Thürmer-Girls den Bundestrainer vor allem durch ihre Stabilität. Und dem unbedingten Willen. Da muss Coach und Vater Frank eher bremsen. „Dass wir nicht überpowern“ sagt Nadja. Julia ergänzt: „Wir wollen im Training immer noch einen drauflegen.“ Und das vier bis fünfmal die Woche – neben Job und Ausbildung. Wie das funktioniert? Die Thürmers fragen… Nadja arbeitet in der Kreisverwaltung, legte in Wiesbaden gerade ihren Bachelor im Public Management ab. Die Partnerin hat einen Job in der Buchhaltung und absolviert zusätzlich ein Fernstudium (Wirtschafts-Wissenschaften).
Denn plötzlich will die Szene mehr über das Paar wissen, das weltweit den höchsten Wert einreicht, die schwerste Kür im 2er absolviert. Notabene, dass beide gar nicht aus einer sonst so typischen Hallenrad-Dynastie stammen. Der Papa spielte Tischtennis. Nadja und Julia in der Schule ziemlich erfolgreich Ho-ckey. Bis zum Finale von „Jugend trainiert für Olympia“ ging es. „Auch sonst haben wir viel ausprobiert, was es im Ort so gab: Leichtathletik, Schwimmen.“ Um beim Kunstrad zu landen. Wo kein (Preis-)Geld fließt und olympische Träume eher vage sind.
Bemerkenswert, dass die zierliche Nadja als Unterfrau auf dem Bike sitzt, Julia bei den Übungen auf einem Rad stemmt und schultert. „Ein bisschen Spinning“ habe geholfen. Sonst reiche das normale Training. „Keine Hanteln und Eisen“ kommen zum Einsatz: dennoch gelingen Höchstschwierigkeiten wie der Schulterstand. Man müsse „gerade bleiben und exakt fahren“, sagt Nadja.
Klingt easy, gleicht aber der Quadratur des Kreises. Und auf dem Boden blieben die haushohen Favoriten für nationale und internationale Titel sowieso. „Etwas zittrig“ habe man die erste Qualifikation (für die WM in Malaysia) angegangen. „Wir wissen alle, wie schnell die Punkte weg sind“, sagen beide unisono – das haben sie im jahrelangen Dreikampf oft genug erlebt. Wenn Nuancen über Wohl und Wehe entschieden. Jetzt scheinen die Mädels vom RSV 1905 Mainz-Finthen für Insider wie auf einer Autobahn. Aber dorthin gelangt man auch nur, wenn täglich, nach Job und Ausbildung, Parkett-Einheiten die Abendstunden ausfüllen. Statt Couch oder Kneipe.