Franziska Brauße hat ein klares Ziel: „Wenn du als Weltmeisterin an den Start gehst, willst du den Titel verteidigen,“ sagt sie, weiß aber auch, dass die Konkurrenz nicht stehengeblieben ist. „Es wird nicht einfach, wenn die Weltrekordhalterin Chloe Dygert am Start ist“, sieht sie in der US-Amerikanerin die größte Konkurrentin.Druck verspürt die Weltmeisterin trotzdem wenig. „Den mache ich mir höchstens selbst, aber wenn ich vor Ort bin, ist es auszuhalten. Ich habe ja schon einige Erfolge in der Tasche.“
An die Bahn in Glasgow hat Franzi Brauße gute Erinnerungen. Zusammen mit Lisa Klein, Mieke Kröger und Laura Süßemilch hat der BDR-Vierer letztes Jahr im April den Weltcup gewonnen, und Mieke Kröger war in der Einerverfolgung erfolgreich. Diese Vier werden auch bei der WM um die Medaillen fahren. „Wir funktionieren als Mannschaft gut,“ sagt Brauße, und weiß, dass der Rücktritt von Lisa Brennauer vor einem Jahr inzwischen gut kompensiert worden ist. „Unsere jüngsten Erfolge haben gezeigt, dass wir vorn mitfahren können,“ hofft Brauße, dass auch der Vierer mit einer Medaille nach Hause fliegen kann.
Mieke Kröger hat sich mehr auf den Vierer als auf die Einerverfolgung vorbereitet. „Die Mannschaftsverfolgung habe ich derzeit besser im Griff,“ sagt die Bielefelderin. „Das habe ich auch schon viel öfter gemacht.“ Nach der Bahn wird die 30-Jährige auch noch im Zeitfahren auf der Straße starten. „Das gehe ich aber erst an, wenn die Bahn vorbei ist, alles nacheinander,“ sagt sie, findet aber, „dass die Zeitfahrstrecke ein schöner Drückerkurs ist. Die kleine Rampe zum Schluss ist Kopfsteinpflaster. Das ist gut für mich.“
Die Medaillenhoffnungen des Bahn-Vierers, dem neben Brauße und Kröger noch Lisa Klein und Laura Süßemilch angehören, sind groß. „Unser Ziel ist eine Medaille, der Anspruch der Mädels ist groß. Welche Farbe werden wir dann sehen,“ sagt Bundestrainer André Korff.
In den Einzeldisziplinen werden Lea Lin Teutenberg und Lena Charlotte Reißner zum Einsatz kommen. Reißner ist auch Ersatzfahrerin für den Vierer.
Bei den Männern ist Tim Torn Teutenberg, frischgekürter Doppel-Europameister in der Klasse U23 ein hoffnungsvoller Kandidat für eine WM-Medaille. Der Kölner, der im Februar in seiner Paradedisziplin Ausscheidungsfahren auch Europameister der Elite wurde, könnte im Chris Hoy Velodrom ebenfalls aufs Treppchen fahren. „Tim ist in guter Verfassung, im Omnium kann er auch unter die besten Fünf fahren,“ hofft Bundestrainer Tim Zühlke, der derzeit mit dem Ausdauer-Kader in Frankfurt/Oder die letzten Vorbereitungen vor dem Abflug nach Glasgow trifft.
„Eine Medaille wäre cool,“ sagt der Europameister, der in Elia Viviani seinen größten Gegner sieht und hofft, dass das Turnier reibungsloser als letztes Jahr verläuft. „Da ist mir einer reingefahren, das war nicht so toll,“ erinnert sich Teutenberg.
Auch im Madison sind die Erwartungen hoch. Das Erfolgsduo Roger Kluge und Theo Reinhardt, der auch im Vierer eingesetzt wird, ist amtierender Europameister in dieser Disziplin und gehört zu den besten Teams der Welt, auch wenn sie bei der letzten WM mit Rang acht zufrieden sein mussten. „Wir wollen natürlich in Glasgow das Beste rausholen, und die Chancen im Madison auf eine Medaille sind sicher größer als im Vierer,“ sagt Reinhardt.
Kluge wird voraussichtlich auch in seiner Lieblingsdisziplin dem Punktefahren starten, wo er 2022 die Silbermedaille gewinnen konnte und 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking ebenfalls Silber gewann, bevor diese Disziplin aus dem Olympischen Programm gestrichen wurde.
Die Mannschaftsverfolgung ist seit jeher die Paradedisziplin auf der Bahn, und der deutsche Vierer träumt seit Jahren davon, dort wieder einmal um eine Medaille mitzufahren. „Wir sind auf einem guten Weg, aber bis Glasgow wird die Zeit nicht reichen,“ sagt Zühlke, der perspektivisch bereits in Richtung der Olympischen Spiele 2024 in Paris hinarbeitet. „Uns ist es primär wichtig, in Glasgow mit einer Top-Acht-Platzierung die Olympia-Qualifikation zu sichern,“ sagt der Bundestrainer und hat dafür mit den Verfolgern hart gearbeitet.
Neu im WM-Team ist der ehemalige Sprinter Joachim Eilers aus Chemnitz, der in Glasgow die Rolle des Anfahrers übernehmen soll. „Er hat beim Weltcup in Milton eine starke Leistung geboten,“ begründet Zühlke die Nominierung des 33-Jährigen. Sein Einsatz in Glasgow soll auch Wegweiser Richtung Olympia 2024 sein. Nummer 2 wird der Leipziger Felix Groß besetzen, der normalerweise beim WorldTour Team UAE Team Emirates auf der Straße im Einsatz ist. Groß hatte wegen seiner Straßeneinsätze auf der Bahn eine kleine Wettkampfpause eingelegt, gehört aber nach wie vor zu Deutschlands schnellsten Verfolgern, was er in Glasgow erneut unter Beweis stellen will. „Er hat ein wenig an Spritzigkeit verloren, aber an Ausdauer dazu gewonnen,“ sagt Zühlke, der sich von Groß` Qualitäten bei einem Bahn-Lehrgang überzeugen konnte.
Nummer drei und vier werden der Göttinger Tobias Buck-Gramcko und Theo Reinhardt besetzen. Nicolas Heinrich, der 2022 in München Europameister der Elite in der Einerverfolgung wurde, und Leon Rohde waren zuletzt gesundheitlich angeschlagen und haben derzeit nicht die Form, um bei einer WM optimale Leistungen zu bringen. Sie werden in Glasgow nicht dabeisein.
Die Nominierten
Männer Bahn Ausdauer (7)
Boos, Benjamin (2003/rad-net Oßwald)
Buck-Gramcko, Tobias (2001/rad-net Oßwald)
Eilers, Joachim (1990/RSV Chemnitz)
Groß, Felix (1998/UAE Team Emirates)
Kluge, Roger (1986/rad-net Oßwald)
Reinhardt, Theo (1990/rad-net Oßwald)
Teutenberg, Tim Torn (2002/Leopard Togt ProCycling)
Frauen Bahn Ausdauer (6)
Brauße, Franziska (1998/CERATIZIT – WNT Pro Cycling Team)
Klein, Lisa (1996/Trek – Segafredo Women)
Kröger, Mieke (1993/Human Powered Health)
Reißner, Lea (2000/SSV Gera)
Süßemilch, Laura (1997/Fenix-Deceuninck Women)
Teutenberg, Lea Lin (1999/CERATIZIT – WNT Pro Cycling Team)
Bild: So möchte Franziska Brauße in der kommenden Woche gern wieder jubeln. Bereits am Donnerstag steht die Entscheidung in der Einer-Verfolgung an.