„Ich habe meinen Physiotherapeuten gebeten, mich mal zu kneifen. Ich glaube, ich werde noch Tage brauchen, zu realisieren, was ich hier erreicht habe. Das Finale nur 20 Minuten nach dem Halbfinale war richtig richtig hart, aber irgendwie konnte ich noch Kräfte freisetzen,“ freute sich die 22-Jährige nach der Siegerehrung. Sie habe sich vor der Entscheidung um die Medaillen keinen Druck gemacht. „Aber jetzt, zu wissen, dass es das höchste ist, was ich bei einer WM erreichen kann, einfach Wahnsinn.“
Für den Bund Deutscher Radfahrer war es eine der erfolgreichsten Weltmeisterschaften überhaupt. Platz zwei im Medaillenspiegel hinter den Niederlanden.
„Von dieser Weltmeisterschaft nehmen unserer Sportlerinnen und Sportler mehr Rückenwind und Motivation mit, als von zehn guten Trainingseinheiten“, sagte BDR-Sportdirektor Patrick Moster am Ende der Bahn-Weltmeisterschaften von Berlin. „Sportlich war es eine sehr erfolgreiche WM. Wir haben unsere Ziele erreicht.“ Insgesamt gewann der BDR acht Medaillen, davon vier goldene.
Die zahlreich erschienenen Besucher haben die deutschen Fahrerinnen und Fahrer frenetisch unterstützt auf dem Weg zu insgesamt acht Medaillen. „Unser oberstes Ziel war die Absicherung der Olympia-Qualifikation. Das ist in allen Bereichen gelungen. Dass wir darüber hinaus noch so viele Medaillen gewonnen haben, übertraf unsere Erwartungen und zeigt gleichzeitig, dass wir in fast allen Bereichen zur Weltspitze gehören“, meinte Moster.
Herausragend waren vor allem die Frauen. In den Kurzzeitbereichen gewannen sie Gold im Teamsprint, im Einzelsprint (Hinze), im Keirin (Hinze) und im 500-m-Zeitfahren (Friedrich). Viermal Gold, besser geht es nicht!
„Dieser Erfolg hat uns selbst überrascht. Dass dieses Trio so schnell die Lücke schließen konnte, die Vogel und Welte gerissen haben, war phänomenal. Und auch im Ausdauerbereich haben unserer Frauen Weltniveau gezeigt, drei Sportlerinnen im WM-Finale der Einerverfolgung, das hat es noch nie gegeben,“ freute sich Moster über das gute Abschneiden von Brennauer und Co, die neben Bronze in der Mannschaftsverfolgung auch Silber (Brennauer) und Bronze (Brauße) in der Einerverfolgung gewannen und mit Lisa Klein Platz vier belegten.
Dass die Männer im Kurzzeitbereich ein Sorgenkind seien, wollte Moster so nicht stehen lassen. „Das schlechteste WM-Ergebnis war ein sechster Platz. Natürlich lässt das Luft nach oben, aber wir stehen besser da, als es den Anschein hat und wir können optimistisch in Richtung Tokio planen. Wir gehören definitiv zur Weltspitze.“
Für die einzige Medaille im Männerbereich sorgte das Duo Theo Reinhardt/Roger Kluge, die mit einem fulminanten Endspurt im Madison hinter Dänemark und Neuseeland und noch auf den Bronzerang fuhren. „Diese Medaille haben wir definitiv gewonnen“, war Roger Kluge nach dem Ziel erleichtert, dass es doch noch zum Podium reichts. Keine Spur von Traurigkeit, dass es mit dem dritten Titel nicht geklappt hat. „Es war ein definitiv sehr hartes Rennen“, sagte Teamkollege Reinhardt, „aber das Publikum hat uns wahnsinnig unterstützt. Grandios, was hier heute los war,“ sagte der Berliner. Wir mussten uns mit einer Medaille beim Publikum bedanken.“
In Berlin sind zahlreiche Weltrekorde gepurzelt. Insgesamt acht Mal wurden Rekorde geknackt. Auch das sieht Moster positiv. „Alles wird immer schneller, aber dadurch für die Zuschauer auch attraktiver.“ Aufgrund einer Regeländerung der UCI müssen Neuerungen beim Material bereits seit diesem Winter gefahren werden und können nicht erst bei den Olympischen Spielen präsentiert werden. „Die Materialschlacht ist in vollem Gange.“
Die geplante neuen Sprintserie der UCI sieht Moster kritisch. „Sie ist hoch dotiert, soll die Fahrer an den Start locken, aber wie man dabei auch Qualifikationspunkte für WM oder Olympia erhält, und welchen Stellenwert diese Serie überhaupt hat, das ist alles noch nicht geregelt“, sagt Moster. Sie soll aber auch erst 2021 eingeführt werden.