Wenn es Herbst wird, kommt es heftig für die Hallenradsportler. Jedes Wochenende geht es ums Ganze. German Masters, Final 5, Ländervergleiche, Meisterschaft. Und immer zählt jeder Punkt, alle Zehntel – für die WM-Aspiranten. Am Freitag und Samstag bietet Lübbecke bei den „Deutschen“ die finale Gelegenheit, den November entweder beim Weltreffen in Malaysia oder auf der heimischen Coach zu verbringen. Sekt oder Selters, aber das lässt Bundestrainer Dieter Maute relativ cool. Bei der letzten WM auf dem asiatischen Inselstaat (1996) hatte er seine Karriere im Einer gerade beendet, jetzt als Coach registriert er bei seinen Schützlingen eine Mischung aus Nervenanspannung, Konzentration, Souveränität.
Wenn der „Chef“ von einem „Augenschmaus“ spricht, muss Außergewöhnliches vorgefallen sein. Lisa Hattemers gute Technik puschte sie auf Weltrekord-Level, die WM ist gebucht. Viola Brand, auch eine Ästhetin auf dem Rad und die fünfmalige Weltmeister Dr. Corinna Biethan ringen um den zweiten Platz, mit Vorteil für die Schwäbin. „Vor fünf Jahren waren 170 Punkte die Schallgrenze, jetzt sind es 175“, notiert Maute die Entwicklung mit Genugtuung. Die Damen müssen heute zunehmend den Handstand in ihr Programm integrieren. „Dafür braucht man zwei, drei Jahre“, erläutert der Coach, der „Konzentration, Beweglichkeit und Kraft“ als Basis für die schwierige Performance nennt. Gut sei: alle Sportlerinnen würden ihre Karrieren fortführen. Schon in Lübbecke könnte die nachrückende Konkurrenz (Slupina, Brauchle, Haase) weitere DM-Rivalität auslösen.
„Es ist auch schön, wenn jemand seinen WM-Titel verteidigen kann“, meint Dieter Maute und meint Michael Niedermeier, der seine Ultra-Saison mit dem nationalen Championat schmücken möchte, während Routinier Puls und Newcomer Kohl mit aufs Treppchen drängen. Doch Maute weiß auch: gerade bei den „Buben“ hakt es. Viel weniger Boys als Girls würden sich für die Artistik auf dem Rad begeistern. Deshalb sucht der umtriebige Trainer an den Schulen, hat bei sich auf der Zollernalb ein Sichtungssystem etabliert, das bald bundesweite Anwendung finden könnte. Von 210 Schülern bleiben fünf bei der Stange. Eine im deutschen Sport wahrscheinlich adäquate Quote.
Die Zweier-Disziplinen buhlen generell mehr um Talente: schließlich muss sich ein Paar finden. Deshalb applaudiert Maute den bevorstehenden Regeländerungen in der Offenen Klasse, wenn die Übungen auf je einem Bike mehr Gewichtung gegenüber den tragenden Elementen, bei denen beide Sportler gemeinsam Kraftelemente demonstrieren, erhalten. Bei der DM führt der Weg über die „hauchhoch überlegenen und trotzdem hoch konzentrierten“ Bugner-Brüder, die meist Punkte in Weltrekordnähe ausfahren. Im 2er Frauen setzten die Deutschen ein Jahrzehnt lang alle Maßstäbe, trieben sich Schultheis/Sprinkmeier und Soika/Wurster in ungeahnte Höhen. Nun mangelt Julia und Nadja Thürmer, klare Favoritinnen für Lübbecke, die gleichstarke Konkurrenz: Dieses Szenario betrachtet Maute mit „einen bisschen Sorge“. Aber auch hier muss niemand wirklich bangen. Deutschland bleibt das Maß aller Dinge, bietet Indoor Cycling auf höchstem Niveau. Die DM, eine Plattform der Künste mit härteren Duellen als bei einer WM.