Osborne kommt aus dem Rudersport. Er war 2019 Europameister im Leichtgewicht Doppel-Zweier und Weltcup-Gesamtsieger, 2018 Weltmeister im Einer. Außerdem holte er einige nationale Titel. Dem Radsport gehörte aber immer seine zweite Leidenschaft. „Das Trainingsvolumen, die Ausdauer, die hole ich mir übers Radfahren“ erzählt der in Mainz lebende Leistungssportler. „Beim Rudern wird die Technik trainiert.“
Die Olympischen Spiele will er noch als Ruderer bestreiten, sich aber anschließend ganz auf den Radsport konzentrieren. „Ich will es in jedem Fall versuchen, im Radsport Fuß zu fassen,“ sagt Osborne, der sich selbst derzeit nicht als Zwift-Profi bezeichnen würde. „Diese Variante aber macht mir viel Spaß. Ich weiß, worauf es ankommt.“
Im Finale der 50 km langen WM-Premiere agierte Osborne taktisch sehr clever, setzte sich zusammen mit Jonas Rapp (Hrinkow Advarics Cycleang) an die Spitze, um dann auf den letzten Metern davonzuziehen. „Ich konnte die Härte, die ich mir im Rudern angeeignet habe, heute sehr gut aufs Rad übertragen und habe mir für das Finale ein paar Körner aufgespart,“ freute sich der erste ESports-Weltmeister. „Ich bin vorher zwar schon einige Zwift-Rennen gefahren, aber noch nie mit so einer Besetzung“, so Osborne, der im WM-Rennen auf Weltklassefahrer wie Victor Campenaerts (Belgien) oder Cross-Spezialist Eli Iserbyt (Belgien) traf. „Im Training lief es schon gut, und ich wusste, dass ich auf dem Kurs gute Werte treten würde. Aber wie das Rennen ausgehen würde, das konnte ich vorher nicht einschätzen.“
Mit 483 Höhenmetern bei einer durchschnittlichen Steigung von 5,5% entsprach der Kurs in der Utopia-Welt von Zwift einem Klassikerkurs und begünstige Fahrer mit Allroundfähigkeiten. 50,3 Kilometer mussten sowohl die Männer als auch die Frauen absolvieren.
Das Frauenrennen gewann die Südafrikanerin Ashley Moolman-Pasio, die auf der ansteigenden Zielgeraden aus einer ca 20 Fahrerinnen starken Spitzengruppe davonzog und sich den Titel vor Sarah Gigante (Australien) und Cecilia Hansen (Schweden) holte. Die beiden deutschen Fahrerinnen aus der Spitzengruppe, Hannah Ludwig und Tanja Erath (beide Canyon-SRAM) konnten sich nicht in den Top-Ten platzieren. Hannah Ludwig verpasste als Elfte ganz knapp den Sprung in die Top-Ten, Tanja Erath, die im Herbst wegen eines Schienbeinbruchs lange ausfiel, wurde 20.
Hannah Ludwig: „Das Rennen lief echt gut für mich, allerdings war der letzte Berg sehr sehr hart, da konnte ich nicht mehr mitgehen.“
Tanja Erath: „Das war ein sehr spannendes Rennen, erfahrene Zwift-Fahrerinnen trafen auch erfahrene Straßenfahrerinnen. Von Anfang an haben die US-Amerikanerinnen Tempo gemacht, und ich war froh, bis zum Ende zur Spitzengruppe zu gehören. Soloattacken sind bei solchen Rennen eher wenig erfolgsversprechend, dafür ist das Tempo zu hoch. Am Schlussanstieg konnte ich nicht mehr mithalten, aber ich bin froh, dass ich bei dieser ersten E-Sports-WM dabei gewesen bin. Es hat Spaß gemacht.“
Team-Coach Tim Böhme: „Das ist echt der Wahnsinn! Wir wussten ja nicht, wie wir diesen Wettbewerb einzustufen hatten, haben aber aus der Taktik des Frauenrennens gelernt und das bei den Männern erfolgreich umgesetzt. Jonas Rapp erhielt dann im Finale das Signal, durchzuziehen und bereitete so den Weg zum Titelgewinn von Jason Osborne. Das war eine ganz starke Teamarbeit.“