BDR mit einigen Titelchancen
Zum zweiten Mal nach Colorado Springs im Jahr 1986 finden die Straßen-Weltmeisterschaften in den USA statt. Ab dem 20. September blickt die Radsportwelt auf Richmond in Virginia, eine 200.000 Einwohner zählende Stadt an der Ostküste, circa 500 Kilometer von New York City entfernt. Richmond gilt als „gesündeste Stadt“ der USA und hat eine große Radsport-Tradition. Alle großen Landesrundfahrten, die Tour of America, die Trump-Tour, die Tour DuPont waren dort schon zu Gast. Nun bereitet sich die Stadt auf das bedeutendste Radsport-Event nach der Tour de France vor.
Im letzten Jahr feierte der BDR den WM-Titel von Junior Jonas Bokeloh

Die Straßenrennen werden auf einem 16,2 km langen Rundkurs im Herzen der Universitätsstadt ausgetragen. Drei Steigungen, die aber alle unter 400 Meter lang sind, charakterisieren die Strecke. Der Schlussanstieg hat sieben Prozent und liegt 1300 Meter vor dem Ziel. Dort ist mit der alles entscheidenden Attacke zu rechnen. Aber bis zur Ziellinie zieht sich der Kurs noch fast einen Kilometer auf flachen, breiten Straßen. Da könnten Verfolger wieder aufschließen, wenn sie sich einig sind.

Letztes Jahr überraschte der Pole Michal Kwiatkowski im Profirennen, davor war es der Portugiese Rui Costa. Beide gehörten nicht unbedingt zum engeren Favoritenkreis, der auch diesmal schwer zu benennen ist. Tom Boonen, so hört man, bereite sich sehr akribisch vor, um zehn Jahre nach seinem Erfolg in Madrid ein weiteres Mal das Regenbogentrikot überzustreifen. Es ist in jedem Fall ein Kurs für Klassiker, also eine Strecke auch für John Degenkolb, der als Kapitän der deutschen Mannschaft ins Rennen gehen wird, gemeinsam mit André Greipel, dem deutschen Sprinter dieses Jahres. Sollte es in Richmond zu einer Sprintentscheidung kommen, ist der zehnfache Tour-Etappensieger der große Favorit. Seit 49 Jahren wartet Deutschland auf einen neuen Profiweltmeister. Rudi Altig ist noch immer der einzige, der den Titel eroberte. Und das war am 28. August 1966.

Die Elite der Männer und Frauen ist bei diesen Meisterschaften gleich dreimal gefordert: Es beginnt am 20. September mit dem Mannschaftszeitfahren für Firmenteams, die seit drei Jahren auf dem Weltmeisterschafts-Programm stehen, gefolgt von den Einzelzeitfahren und endet mit den Straßenentscheidungen am letzten September-Wochenende. Im letzten Jahr gewann der BDR drei Titel: Lisa Brennauer (Elite Frauen) und Lennard Kämna (Junioren) waren die schnellsten im Kampf gegen die Uhr, im Straßenrennen der Junioren sprintete Jonas Bokeloh zum Titel.

Im Zeitfahren heißt der große Favorit Tony Martin. Nach seinem Sturz bei der Tour will er sich in den USA unbedingt den WM-Titel zurück erobern, den er letztes Jahr an Bradley Wiggins verlor. Bei den Frauen will Lisa Brennauer ihren Titel von Ponferrada verteidigen. Die Allgäuerin hat mit ihrem Erfolg in der Holland Ladies Tour gerade erst ihre Top-Form unter Beweis gestellt. Im Straßenrennen setzt Bundestrainer André Korff wieder auf das bewährte „Dreigestirn“ um die letztjährige WM-Zweite Lisa Brennauer, die starke Bergfahrerin Claudia Lichtenberg und die Deutsche Meisterin Trixi Worrack, die ebenfalls schon auf dem Podest stand (2006 in Salzburg WM-Zweite) und seit 1998 ununterbrochen bei jeder Weltmeisterschaft dabei war.

In der Kategorie U23 werden der Deutsche Meister Nils Politt und Lennard Kämna die Protagonisten sein. Kämna gewann am letzten Sonntag die Bundesliga der U23 und ist amtierender Deutscher Meister im Zeitfahren und am Berg.
Die Junioren haben 2014 für zwei Goldmedaillen gesorgt. Eine solche Sternstunde des Radsports erlebt man nicht jedes Jahr, dennoch haben die Jungs von Bundestrainer Wolfgang Ruser Chancen auf gute Platzierungen und vielleicht ist sogar eine Medaille drin. Auch sie konnten zuletzt mit guten Leistungen überzeugen: Max Kanter aus Brandenburg feierte einen Etappensieg im Grand Prix Rübliland, der im Zeitfahren startende Leo Appelt ist amtierender Junioren-Weltmeister in der Einerverfolgung.

Bei den Juniorinnen lässt sich nichts vorhersagen, da sie außer bei der EM in Estland so gut wie keine internationalen Vergleichswettbewerbe bestritten haben.

Der WM-Zeitplan:
So, 20.09.: Mannschaftszeitfahren Elite Männer und Frauen (38,8 km/Start: 10.30 h)
Mo, 21.09.: Einzelzeitfahren Juniorinnen (15 km/Start 10.00 h) und U23 (30 km)
Di, 22.09.: Einzelzeitfahren Junioren (30 km/Start 9.30 h) und Frauen (30 km)
Mi, 23.09.: Einzelzeitfahren Männer Elite (53 km/Start 13.30 h)
Do, 24.09.: UCI-Jugend-Kongress
Fr, 25.09.: Straßenrennen Juniorinnen (4 R = 64.8 km/Start 10.00 h) und Männer U23 (10 R =162 km)
Sa, 26.09.: Straßenrennen Junioren und Frauen Elite (bd 8 R = 129,6 km/Start 10.00 h)
So, 27.09.: Straßenrennen Elite Männer (16 R = 259,2 km/Start 9.00 h)
Zeitangaben entsprechen der Ortszeit; MEZ: plus 6 Stunden

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